microtonality

Immer wieder versuchen Komponisten, den 12-tönigen Tonraum zu verlassen. Streng genommen ist die temperierte Skala, basierend auf der 12. Wurzel aus 2, sowieso mikrotonal. Bei Instrumenten mit fixen Tonhöhen, wie beispielsweise das Klavier, verlagert sich das gehörsmäßige Orten von mikrotonalen Tonhöhen primär auf den Klavierstimmer.

   Michael Bach Bachtischa, A-E-G-C für Mikrotonklavier (2000)
   Sylvaine Billier, Mikrotonklavier der Firma
Sauter
Internationale Musikschulakademie Schloss Kapfenburg (2000)

Bei Instrumenten, die keine fixierten Tonhöhen haben, obliegt es jedoch den Spielern oder Sängern, die exakten mikrotonalen Tonhöhen zu finden. Die Hauptfrage stellt sich erst dann: Gibt es die Möglichkeit der gehörsmäßigen Kontrolle über die intendierte Tonhöhe im Moment ihres Erklingens? Welchen Sinn soll Mikrotonalität haben? Soll der Hörer die feinen Unterschiede erkennen können?

Beispielsweise in „Untitled Composition “ (1981) für Cello und Klavier von Morton Feldman mit über 90 Minuten Dauer ist der Cellopart mit Doppelkreuzen und Doppel-Bs nur so übersät, während der Klavierpart bis auf 2 kleine Stellen frei davon ist. 

Mit dem Violinvirtuosen Paul Zukofsky traf sich Michael Bach in New York City 1989, um die Frage der Realisierung dieser Notation zu erörtern. Dies führte zu Versuchen mit verschiedenen Tonsystemen, der pythagoräischen, der mitteltönigen und der reinen Stimmung. Die Lösung Michael Bachs, die Nutzung der Obertöne des Cellos auf allen 4 Saiten bis zum 16. Partialton, ist unabhängig hiervon. Damit stand eine mikrotonale Skala zur Verfügung, die, was die Frequenzen anbelangt, unverrückbar und klar definiert ist. Hierfür mußte allerdings eine Grifftechnik von ihm erfunden werden, die das kontrollierte Hervorbringen dieser hohen Obertöne erst ermöglichte. 

   Morton Feldman; „Untitled Composition“ (1981)
   Michael Bach, Cello und Klaus-Steffes Holländer, Piano
Produktion SR Saarbrücken

Zu Fragen der Mikrotonalität ist im Buch „MUSICAGE “ von Joan Retallack ein Gespräch zwischen John Cage und Michael Bach dokumentiert, in dem es ebenso um die mikrotonale Notation und deren Beherrschung durch den Ausführenden geht. John Cage sprach von „challenge“ in einer tonhöhenmäßig unübersichtlichen und ungesicherten Situation. Paul Zukofsky prägte damals gegenüber Michael Bach das Bonmot: „Cage does know but doesn’t care. Feldman doesn’t know but does care.“

Die Frage der Kontrollierbarkeit von mikrotonalen Tonhöhen wurde erneut von Michael Bach Bachtischa mit seinen „Röhrenstücken “ aufgegriffen. Dabei spielen oder singen die Aufführenden mikrotonale Tonhöhen um einen zentralen Röhrenton, der sozusagen die gehörsmäßige „Stütze“ und Orientierung bietet.

   Michael Bach Bachtischa, „Notationen“ für Stimme und Violoncello (2010)
   Christina Ascher, Stimme und Michael Bach, Violoncello
(Millenium Preis
Würzburg 2000)
   Renate Hoffleit, Röhreninstallation „VERTONUNG

Die Komposition „ONE8 “ von John Cage beinhaltet ebenfalls mikrotonale Vorzeichen und hohe Obertöne. Das Werk „ONE13 “ von John Cage und Michael Bach Bachtischa kann gleichermaßen als ein mikrotonales Werk betrachtet werden, obwohl aus der Notation diese Eigenschaft nicht vordergründig ablesbar ist.

   John Cage und Michael Bach Bachtischa,
   „ONE13″ für Cello mit Rundbogen und 3 Lautsprecher (1992)

Ähnliches gilt für die „Notation “ für Kammerorchester, von Michael Bach Bachtischa, welche drei Streichergruppen an im Raum verteilten Orten mit obertönigen Spielweisen agieren läßt.

   Michael Bach Bachtischa, Notation für Kammerorchester (2001) simultan mit
1, 2, 3 für Violoncello mit Rundbogen u
nd 3 Lautsprecherzuspielungen (1992/2000)
Festival Rheinischer Frühling, Dom zu Worms

Die Saiteninstallationen von Renate Hoffleit und Michael Bach Bachtischa erhalten ihr Tonhöhensystem vom Aufführungsort selbst. Die Saitenlängen bestimmen hierbei die Tonfrequenzen. Da etliche Dimensionen von Gebäuden nach dem Goldenen Schnitt gestaltet sind, ergibt sich selbstredend auch im Tonvorrat der Saiteninstallationen ein mikrotonaler Zusammenhang.

   Renate Hoffleit und Michael Bach Bachtischa: Saiteninstallationen