live electronics

 

Theorie und Praxis.

Eine Vorstufe der Auseinandersetzung Michael Bachs mit Live-Elektronik waren Versuche mit aufnahmetechnischen Verfahren, die in die 80er Jahre zurückdatieren: beispielsweise sein Projekt, Helmut Lachenmanns „Pression für einen Cellisten “ (1969) in alternativen Klangfassungen für Tonträger zu interpretieren. Die Idee entsprang der eigentümlichen Korrelation akustischer wie visueller Ereignisse. Die visuellen Geschehnisse sollten in eine reine Klangaufnahme „übersetzt“ werden. Entstanden sind im WDR Köln und im Studio des CCAM Nancy zwei Fassungen mit Kontaktmikrophonen, die den Hörer geradezu in den Innenraum des Cellos „befördern“, denn die Klänge der Aufnahmen sind räumlich, rechts und links, weit und fern, wahrnehmbar.

Ein weiteres Experiment war die spezielle Aufnahme der „Sonate für Cello solo“ von Bernd Alois Zimmermann. Das Werk, basierend auf einer Zwölftonreihe, verwendet für die Tempoangaben gleichfalls ein temperiertes Raster, so daß das räumliche Aufnahmekonzept Michael Bachs ebenfalls auf einer temperierten Skala basierte.

Im Jahr 1985 experimentierte Michael Bach, auf Einladung von Hans-Peter Haller, im Experimentalstudio der Heinrich-Strobel-Stiftung des SWF in Freiburg mit dem „SOLO für Melodieinstrument und Rückkopplung“ (1965) von Karlheinz Stockhausen. Das Experimentalstudio hatte die ersten digitalen Verzögerungsmaschinen angeschafft, welche nun zum Einsatz kamen. Aufführungen verschiedener Versionen des „SOLO“ folgten bei den Donaueschinger Musiktagen, dem Festival Musica Contemporânea Lisboa, den Europäischen Kulturtagen Karlsruhe u. a.

   Karlheinz Stockhausen, SOLO (1965)
   Michael Bach, Cello und das Experimentalstudio des SWR (Donaueschinger Musiktage 1987)

Etwas später führte Michael Bach beim Berliner Festival Inventionen mehrere Versionen von „SOLO“ mit dem Elektronischen Studio der Technischen Universität Berlin (Leitung: Folkmar Hein) auf. Hier wurden analoge Tonbandmaschinen eingesetzt, die in der Bandgeschwindigkeit variiert werden konnten, was ein völlig anderes Klangresultat ergab.

Im ZKM Karlsruhe erarbeitete Michael Bach Bachtischa zusammen mit Pierre Dutilleux Anfang der 90er Jahre ein Computerprogramm, das Differenztöne am Cello und anderen Instrumenten hörbar verstärkt. Diese Software wurde inzwischen für Klavier, Mikrotonklavier, Akkordeon und einer großdimensionierten Saiteninstallation eingesetzt.

   Michael Bach Bachtischa, accordpiano (2010)
   Catherine Vickers, Piano und Stefan Hussong, Akkordeon (UA ZKM Karlsruhe 2010)


Michael Bach Bachtischas „Röhrenstücke“ für Violoncello, Stimmen und/oder andere Instrumente beziehen die Röhreninstallation „VERTONUNG“ der Künstlerin Renate Hoffleit ein. Dabei werden mikrophonierte Steinröhren mit Wasser gestimmt. Auf diese Weise entsteht eine Art kombiniertes Instrument, z. B. erhält dadurch das Cello zusätzlich den Charakter eines Blasinstruments. Die „Röhrenstücke“ wurden beim Millenium Preis 2000 in Würzburg ausgezeichnet.

   Michael Bach Bachtischa, Notationen für Stimme und Violoncello (2010)
   Christina Ascher, Stimme und Michael Bach, Violoncello (EA Millenium Preis Würzburg 2000)
   Renate Hoffleit, Röhreninstallation „VERTONUNG